14. Zeichen, die rund um die Geburt Jesu geschehen

Die Empfängnis von ‘Issa (Jesus) war ein Wunder, und auch seine Geburt wurde von wundersamen Zeichen begleitet. Welche Bedeutung haben diese Zeichen?

„So empfing Maryam ihn und zog sich mit ihm zu einem fernen Ort zurück. Die Wehen ließen sie zum Palmenstamm gehen. Sie sagte: ‚O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!‘. Da rief er (das Neugeborene) ihr von unten her zu: ‚Sei nicht traurig; dein Herr hat ja unter dir ein Bächlein geschaffen. Schüttle zu dir den Palmenstamm, so läßt er frische, reife Datteln auf dich herabfallen‘ “ (Sure Maryam 19:22-25).

Die Zeichen sind also: die Datteln der Palme, der Frühling und vor allem die Tatsache, daß das Baby sprechen kann.

Der Kontext der Sura Maryam ist polemisch, sie soll eine Reaktion sein auf die jüdische Verleumdung Maryams als Prostituierte, wie wir in den folgenden Versen 27 und 28 lesen: „Sie [die Familie] sagten: ‚O Maryam, du hast da ja etwas Unerhörtes begangen; O Schwester Hārūns, dein Vater war doch kein sündiger Mann, noch war deine Mutter eine Hure‘ “ (S.19:27-28). Die Antwort steht weiter oben: „Sie sagte: ‚Wie soll mir ein Junge gegeben werden, wo mich doch kein menschliches Wesen berührt hat und ich keine Hure bin‘ “ (S.19:20).

Es sei darauf hingewiesen, daß nach einer türkischen Übersetzung des Korans (DİB) in Vers 24 eine andere Antwort gegeben wird. Statt zu sagen: „Sei nicht traurig; dein Herr hat ja unter dir ein Bächlein geschaffen“, heißt es in diesem türkischen Koran: „Sei nicht traurig, dein Herr hat das, was in dir war, ehrenhaft gemacht“ ‒ was viel mehr Sinn ergibt: Durch ein wundersames Wort wäscht der neugeborene ‘Issa seine Mutter von aller Verleumdung rein. Wie kommt dieser Unterschied zustande?

Wenn man einem Aramäer oder Syrer nur die Konsonanten des Wortes Fluss (SRY von sariyan) zu lesen gibt, wird er spontan das Adjektiv šariyâ lesen, das legitim (oder ehrenhaft in der türkischen Version) bedeutet. Als die iranischen Kommentatoren des zehnten Jahrhunderts dem Korantext endgültig diakritische Punkte und Vokale hinzufügten, haben sie ihn falsch gelesen und sich einen sariyan, einen Bach, vorgestellt ‒ und so haben sie den Sinn des Textes verkannt. Aber es gab einen Grund für ihren Fehler. Der Text spricht von einer Palme, die Maryam ihre Datteln anbietet; diese Geschichte ist dem apokryphen Pseudo-Matthäus entnommen, einer sehr populären Geschichte, in der davon die Rede ist, daß in der Nähe dieser Palme eine Quelle erscheint!

Gibt es im Evangelium auch wundersame Zeichen, die die Geburt von Jesus (‘Issa) begleiten? Zunächst kann man festzustellen, dass es historisch sehr genau ist: „Es geschah aber in jenen Tagen, daß Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. Diese Aufzeichnung war die erste Volkszählung, damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen“ (Lukas 2:1-3). Was die Zeichen anbelangt, so erschien den Hirten zunächst ein Engel, und „die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte ihn, und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: ‚Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids (Daoud) der Retter geboren; es ist der Christus, der Herr; und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt‘. Und plötzlich war bei dem Engel ein große himmlische Schar, die Gott lobte und sprach: ‚Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens‘ “ (Lukas 2:9-14).

 


[1] Übersetzung von J. Gijsel, in F. Bovon und P. Geoltrain (Hrsg.), Écrits apocryphes chrétiens (I), La Pléiades, Paris 1997, S. 138.